23. November 2011

Ohrenkuss - Die Reportage Teil 2

Liebe Leserinnen und Leser, 
bereits in der letzten Woche haben wir den 1. Teil der Reportage der Abensberger Journalistin Birgit Bauer über das Magazin "Ohrenkuss" präsentiert. 
Heute geht es weiter. 

Mit der Arbeit in der Redaktion, wichtigen Punkten für die Autoren, Pläne und mehr ... 

Teil 1 können Sie auch hier noch einmal nachlesen: 

Ohrenkuss heute - www.ohrenkuss.de
Maya Hässig, Köln, www.lux72.de
Zur Redaktionssitzung kommen regelmäßig 18 Personen im Alter von 17 bis 54 Jahren, dazu gesellen sich  eine Menge Korrespondenten, die die Redaktion mit Texten und Ideen versorgen.
„Es ist spannend, wie konzentriert unsere Autoren arbeiten“, sagt Katja de Braganca im Interview. „Oft sind die Menschen ohne Behinderung schneller erschöpft, als die Menschen mit Down-Syndrom.“
Auf die Frage, wie die Autoren zu Ohrenkuss kommen, antwortet sie einfach: „Unsere Autoren haben das Schreiben für sich als Ausdrucksform entdeckt und gewählt. Jeder der möchte, kann sich melden.
Derzeit haben 3000 Leser Ohrenkuss abonniert. Darunter sind viele Angehörige wie Familien oder Eltern, die so besser verstehen können, wie die Gedankengänge von Menschen mit Down-Syndrom sind, dazu kommen Ärzte, Fachleute aus der Forschung, Logopäden, Grafiker, Germanisten und Menschen aus dem literarischen Bereich.

Von links nachs rechts: Angela Fritzen, Svenja Giesler und Marc Lohmann, Ohrenkuss-Autoren
© Luke Golobitsh, Bonn


Die Redaktionsarbeit

Die Zusammenarbeit gestaltet sich spannend und ist oft mit Zeitaufwand verbunden. „Die, die zu uns in die Redaktionssitzungen kommen, müssen das üben“, erklärt Katja de Braganca im Interview mit mittendrin! – Redakteurin Birgit Bauer.
„Unsere Konferenzen sind nur für die Redaktionsmitglieder und ohne Begleitung vorgesehen, daher müssen unsere Autoren üben, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrdiensten und anderen Dingen klar zu kommen. Vor allem müssen sie lernen, das zu äußern, was sie möchten und benötigen. Ein Prozess, der eine Weile braucht.“

Jeder Ohrenkussautor hat einen Presseausweis mit Foto.

© Thekla Ehling www.thekla-ehling.de
 
Der größere Aufwand, so die Redaktionsleiterin, bestehe oft bei den Begleitern. Eltern, Angehörige müssen lernen, loszulassen und das ist nicht immer einfach. Es ist eine Hürde, die es zu nehmen gilt, aber eine, die nach und nach genommen werden kann.
„Ich verstehe, dass das Behüten immer im Vordergrund steht und das zu verringern, ist für die Angehörigen nicht einfach. Aber ich denke, dass die Menschen erfassen müssen, was sie können und sagen müssen, was sie brauchen und das können Menschen mit Down - Syndrom sehr gut.“
Eltern und Angehörigen haben ihre absolute Hochachtung. „Viele ältere Eltern nehmen viel auf sich, um den Autor zur Redaktionskonferenz zu bringen und das ist oft nicht so einfach.“

„Die Autoren kommen zu uns nicht, um beschäftigt zu werden. Wir sind keine Freizeitgruppe, wir machen hier ernsthafte Arbeit und sind kein Beschäftigungsprojekt oder Trainingsprogramm. Ohrenkuss ist ein Magazin, das sich selbst tragen muss“, klärt Katja de Braganca auf und stellt fest: jeder, der für Ohrenkuss schreibt, nimmt die Arbeit als Redaktionsmitglied sehr ernst.

Zukunftspläne

Ohrenkuss ist ein Magazin ohne Jammerfaktor. „Wen interessiert schon ständig das Thema Down-Syndrom? Die Menschen leben damit. Ständig darüber zu sprechen, ist langweilig“, erzählt die Chefredakteurin.
Alle Autoren wollen Themen, die cool und interessant sind. Wie beispielsweise im aktuellen Heft, in dem es um Wolle und Stricken geht und in dem die Autoren einen Bauernhof mit Schafen besuchten. 

Der Ohrenkuss-Autor Martin Weser schaut beim Schafescheren zu.

© Swetlana Gasetski, www.swetlanagasetski.com

Sie berichten aktuell über die Schafschur, erste Strickversuche, das Erwachsen sein und mehr. Dass sie anders sind und die Welt aus anderen Perspektiven betrachten und wahrnehmen fällt auf, aber auch, dass das Handicap nicht vorrangig ist, sondern, das was man lebt und erlebt.
Ohrenkuss ist werbefrei und soll es auch bleiben. Geplant ist eine Version in Englisch, aber das wird noch dauern, denn mit der neuen Sprache ist ein größerer Aufwand an Logistik und Finanzmitteln erforderlich.
„Wir werden sehen“, stellt Katja de Braganca zum Schluss fest und ist auf die Zukunft gespannt.

Wünsche für Menschen mit Down-Syndrom
Katja de Braganca wünscht sich mehr Empowerment. Das heißt, sie wünscht sich mehr Einsatz und Maßnahmen dafür, den Grad an Selbstbestimmung für die Menschen mit Handcap zu erhöhen.
Sie ist der Meinung, dass weniger Behütung vonseiten der Angehörigen und Selbstmitleid vonseiten der Menschen mit Behinderung und dafür offenere Ohren dazu beitragen, die Menschen mit Behinderung zu stärken und ihnen Selbstvertrauen zu geben.
Den Menschen mit dem Down-Syndrom, muss wie jedem anderen Menschen mit Handicap wohl auch, klar sein und werden, dass es sich um das eigene Leben handelt, das sie selbst in die Hand nehmen können und müssen. Sie brauchen gute Assistenzsituationen, Offenheit und mehr Respekt.
Sie selbst müssen aber auch lernen, dass man den eigenen Willen kommunizieren und Wünsche wie Bedürfnisse einfordern muss.

Wie schrieb die Ohrenkuss Autorin Johanna von Schönfeld: „Jeder Mensch hat sein Päckchen“

Sie beweist mit der in Worten gepackten Empfindung genau das, was wichtig ist:
Jeder hat sein Leben zu leben und mit dem, was ihm so auf den Weg gegeben wurde, das Beste daraus zu machen. 

Machen Sie das Beste aus einem Adventssonntag:

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Am 4.12.2011 um 14.30 Uhr laden wir Sie herzlich zur Ohrenkuss - Lesung in das Begegnungszentrum Kelheim, in der Emil- Ott- Straße 6 - 8 ein.  
Karin Schumacher vom Bayerischen Rundfunk liest Texte aus Ohrenkuss, die sie in drei Themen unterteilt hat: Natur und Tiere, Zukunft und Träume, Beziehungen und Liebe. Dazu passend wird die Lesung  mit Bildern und Musik untermalt.



Wenn Sie noch mehr über "Ohrenkuss" und die Lesung erfahren möchten, in der Rundschau Kelheim vom 23.11.2011 war ein Artikel darüber:

23.11.2011 Bericht über die Lesung von "Ohrenkuss" am 04.12.2011 in der Rundschau Kelheim

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Herzliche Grüße
Ihr mittendrin! Team 

Bilder: www.ohrenkuss.de Wir bedanken uns bei der Redaktionsleitung für die Überlassung der Nutzungsrechte.
Text: Birgit Bauer, www.birgit-bauer.com, 

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